· 1996
Die Arbeit stellt eine bisher fast unbekannte Autorin und bildende Künstlerin aus dem Aufbruch der russischen Kultur um die Jahrhundertwende ins Zentrum - Elena Genrichovna Guro. Neben der traditionellen Einordnung ihres Oeuvres, die Guros organische Kunstauffassung als wichtigen Beitrag zur Hervorbringung der russischen Moderne würdigt, werden ihre Werke mit dem Instrumentarium, das die feministische Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, zu interpretieren versucht. Es entsteht ein kritischer Dialog zwischen den Texten Guros und den Konzepten moderner TheoretikerInnen. Verschiedene intertextuelle Beziehungen werden hergestellt, in denen die Texte neue Aspekte eröffnen. Die hier erprobten Zugänge zu den Text- und Bilderwelten Elena Guros, fördern so jene imaginär angelegten Anteile zutage, die eine Feminisierung der écriture auf dem Gebiet der russischen Moderne beweisen.
· 2021
Deutschland und Russland verbindet eine komplexe Beziehungsgeschichte, die sich insbesondere in ihrer literarisch-künstlerischen Ambiguität zeigt. Betrachtet man die letzten 100 Jahre, dann betrifft dies auf der politisch-kulturellen Ebene Entwicklungen, die ein erhöhtes Störungspotential markieren und die von der Oktoberrevolution 1917 über den Hitler-Stalin-Pakt bis zur nationalsozialistischen Vernichtungspolitik reichen, sodann die Blockbildung nach dem Zweiten Weltkrieg, die Teilung Deutschlands und die Veränderungen seit 1989/1990. Vor diesem Hintergrund gibt es vielfältige kulturelle wie literarische Äußerungsformen sowohl in der deutschen, aber auch in der sowjetischen bzw. russischen Literatur und Kultur. Von daher ist mit dem Zeitraum ab 1917 ein umfangreiches Bezugssystem aufgerufen, das keineswegs nur literatur- und kulturwissenschaftliche Fragen betrifft, sondern weltpolitische Dimensionen umfasst. Der Band sucht am Beispiel ausgewählter Ereignisse und Perioden unter die "äußere Kruste des Gewesenen" zu kommen, Gründe für verschiedene Auffassungen von der Welt zu erfassen und Toleranz gegenüber anderen Sichtweisen zu motivieren. Die Beiträge des Bandes führen zurück in die Anfangsphase der Sowjetunion. In der Folge geraten die Entwicklungen in den 1920er und -30er Jahren mit Stalins Politik ebenso in den Blick wie die entscheidende Zäsur, die mit dem deutschen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion ab 1941 gesetzt wurde. In diesem Rahmen spielen Exil, Deportation und Kriegsgefangenschaft eine Rolle. Nach 1945 folgten die Teilung Deutschlands und die Gründung der beiden deutschen Staaten, die – hier wie da – unterschiedliche Sichten motivierten. Schließlich wird gezeigt, in welcher Weise die deutschsprachige Gegenwartsliteratur maßgeblich auch durch eine junge "Generation" deutsch-russischer Autorinnen und Autoren mitgeprägt wird. Der Band wird durch Stimmen von sechs Zeitzeuginnen und Zeitzeugen – Anton Hiersche, Gusel Jachina, Joochen Laabs, Irina Liebmann, Katharina Martin-Virolainen und Waltraut Schälike –, die Vergangenheit und Gegenwart in den Blick bekommen, abgerundet.
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