· 2023
Aus dem dünnen Spalt zwischen der Einsamkeit des Übungsraums und der Anonymität der Orchesterreihen erscheinen Fantasien, Beobachtungen, gesellschaftliche Aphorismen. Das könnt ihr euch nicht vorstellen. Den Rausch, die Angst, den Herzschlag, den Atem, das Gefühl, die Hitze. Mit diesen Worten taucht "Singularkollektiv" in eine Welt, die jenseits des Glamours liegt, der gewöhnlich mit klassischer Musik verbunden wird. Eine Welt unter der dünnen Schicht von Frack und Fliege, in der das Orchester einer weiten Steppe gleicht, einem bahnhofslosen Ort. Wo es nach Blech und Öl, Holz und Schweiß riecht. Aus dem dünnen Spalt zwischen der Einsamkeit des Übungsraums und der Anonymität der Orchesterreihen, zwischen Musikbeamtentum und brotloser Kunst, dringen Fantasien, Beobachtungen, gesellschaftliche Aphorismen nach außen. Die Geigerin, die so tut, als ob sie spielt und ihre Stille Kunst feiert, der abgelehnte Posaunist, der um die Gunst eines neuen Generalmusikdirektors bangt. Der schlechte Cellist, der an seinem Cello wie ein Schiffbrüchiger hängt, der verspätete Geiger, auf den nicht gewartet wird. Die Scheinrealität einer Generalprobe. Die ungewöhnlichen Instrumente, die es in den Orchesterkanon nicht geschafft haben. Figuren und Momente, die der Orchesterwelt entstammen, aus dieser gleichzeitig herausragen als menschliche, gesellschaftliche Kommentare.
Unmittelbar nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel beginnen Sasha Marianna Salzmann und Ofer Waldman eine Korrespondenz über eine erschütterte Welt – die Welt nach dem 7. Oktober. In Briefen und Chats, mit Gedichten und Musik, die sie einander schicken, versuchen sich die beiden Autor:innen an einer Beschreibung und Benennung dessen, was sie gerade sehen und erleben – jenseits des tagespolitischen Geschehens. Ofer Waldman erzählt von seinem Alltag in Israel. Er sitzt Shiva, unterhält sich mit seinen Kindern, geht auf Mahnwachen, hört auf die Klänge des Nahost-Krieges. Sasha Marianna Salzmann verdichtet ihre Erlebnisse und Beobachtungen in unterschiedlichen Städten Mitteleuropas. Sie sitzt am Mahnmal für die ermordeten Jüdinnen und Juden an der Donau in Budapest, streitet sich in Wiener Kaffeehäusern und schaut dem Blaulicht der Polizeikonvois am Berliner Hermannplatz zu. Was ist noch übrig von alten Gewissheiten nach dem 7. Oktober, was hat Bestand im Strudel der Meinungen, Behauptungen und Positionierungen? Und was scheint in der Folge des Nahostkonfliktes und des furchtbaren Krieges im Nahen Osten unwiederbringlich verloren? Im Versuch, sich diesen Fragen erzählerisch zu nähern, entsteht ein Dialog, der immer mehr zum berührenden Dokument einer Freundschaft wird: Ich sehe dich, sagen diese Briefe, ich kann nichts tun, aber ich bin da. »Du schreibst meinen Namen, und die Zeit verklebt sich, Vergangenheit und Gegenwart. Die Zukunft, in die wir schauen, wird zum Spiegel. Ein Trost, immerhin: Ich sehe dich darin.« Ofer Waldman an Sasha Marianna Salzmann, 22. Oktober 2023
Ausgehend von exemplarischen Werken (deutsch-)jüdischer Autorinnen und Autoren nach 1945 loten die BeiträgerInnen den vielstimmigen Resonanzraum aus, in dem unterschiedliche Formen der Rückkehr nach Deutschland oder Österreich beschrieben werden. Dabei münden in den meist stark autobiografisch geprägten Texten nicht selten die Hoffnungen, die in einen Neuanfang gesetzt werden, in die schmerzliche Einsicht, dass das Land unwiderruflich mit seiner Geschichte verbunden und dass eine Rückkehr in die 'verlorene Zeit' vor der Shoah nicht möglich ist. Analysiert werden Texte von Jean Améry, Hannah Arendt, Sammy Gronemann, Hans Mayer, Amos Oz, Doron Rabinovici, Margarete Susman, Arnold Zweig u. a. Der Band ist das Ergebnis einer zweijährigen interdisziplinären Zusammenarbeit deutscher und israelischer NachwuchswissenschaftlerInnen. Based on exemplary post-1945 works of (German-)Jewish authors, the contributions to this volume sound out the polyphonic 'resonance chamber', in which diverse forms of remigration to Germany or Austria are delineated. Quite often within these texts – most of which are autobiographically influenced – the high hopes for a new beginning culminate into the painful realisation that there is just no way back to the 'lost time' before the Shoah. The case studies analyze, inter alia, works of Jean Améry, Hannah Arendt, Sammy Gronemann, Hans Mayer, Amoz Oz, Doron Rabinovici, Margarete Susman and Arnold Zweig. The present volume is the result of two years of interdisciplinary cooperation by young scholars from Israel and Germany.
· 2020
Ausgehend von einer deutsch-deutschen Perspektive betrachtet der Sammelband die Spezifika jüdischen Lebens im geteilten Deutschland sowie in weiteren ausgewählten europäischen Ländern. Im Fokus stehen Fragen nach der Wiederherstellung und sozialen Zusammensetzung jüdischer Gemeinden, den Beziehungen zur Mehrheitsgesellschaft sowie dem jüdischen politischen wie kulturellen Leben. Darüber hinaus widmet sich das Buch den Formen und Akteuren der Auseinandersetzung mit der Shoah sowie dem Antisemitismus und der antijüdischen Gewalt in den europäischen Nachkriegsgesellschaften. In unterschiedlichen Schwerpunkten werden so die vielfältigen Herausforderungen jüdischen Lebens in Deutschland und Europa nach der Shoah beleuchtet und zudem die Frage diskutiert, wie jüdische Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg heute museal aufbereitet und ausgestellt werden kann.
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