· 2023
In the early 19th century, a new social collective emerged out of impoverished artisans, urban rabble, wandering rural lower classes, bankrupt aristocrats and precarious intellectuals, one that would soon be called the proletariat. But this did not yet exist as a unified, homogeneous class with affiliated political parties. The motley appearance, the dreams and longings of these figures, torn from all economic certainties, found new forms of narration in romantic novellas, reportages, social-statistical studies, and monthly bulletins. But soon enough, these disorderly, violent, nostalgic, errant, and utopian figures were denigrated as reactionary and anarchic by the heads of the labour movement, since they did not fit into their grand linear vision of progress. In this book, Patrick Eiden-Offe tells their story, tracing the making of the proletariat in Vörmarz Germany (1815–1848) through the writings of figures like Ludwig Tieck, Moses Hess, Wilhelm Weitling, Georg Weerth, Friedrich Engels, Louise Otto-Peters, Ernst Willkomm, and Georg Büchner, and in so doing, revealing a striking similarity to the disorderly classes of today.
· 2017
Mit der Durchsetzung des Kapitalismus und der Industrialisierung entsteht im frühen 19. Jahrhundert aus verarmten Handwerkern, städtischem Pöbel, umherziehenden ländlichen Unterschichten, bankrotten Adligen und nicht zuletzt freigesetzten prekären Intellektuellen jenes neue soziale Kollektiv, das man in der Sprache der Zeit bald das Proletariat nennen wird. Allerdings existierte dieses zunächst noch nicht als formierte, homogene Klasse mit angeschlossenen politischen Parteien, die den Weg in die bessere Zukunft vorgeben. Die buntscheckige Erscheinung, die Träume und Sehnsüchte dieser allen ständischen Sicherheiten entrissenen Gestalten fanden neue Formen des Erzählens in romantischen Novellen, Reportagen, sozialstatistischen Untersuchungen, Monatsbulletins. Doch schon bald wurden sie – ungeordnet, gewaltvoll, nostalgisch, irrlichternd und utopisch, wie sie waren – von den Vordenkern der Arbeiterbewegung als reaktionär und anarchisch verunglimpft, weil sie nicht in die große lineare Fortschrittsvision passen wollten. In seiner bahnbrechenden Studie verhilft Patrick Eiden-Offe dem lange verdrängten romantischen Antikapitalismus zu seinem Recht und befreit die Sozial- und Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts aus ihren eindimensionalen Sichtachsen. Dabei wird nicht zuletzt deutlich, dass die historische, poetisch besungene unordentliche Klasse den heutigen Figuren von Prekarität nach dem Ende der alten Arbeitsgesellschaft verblüffend ähnlich ist.
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· 2024
"Kein Sterbenswörtchen werde ich sagen!" Das viersilbige Wort ist also ein Dementi all dessen, was wir – wem auch immer – sagen könnten. Damit hat es etwas Düsteres, es erinnert uns an unser Ende, an den Zeitpunkt, ab dem wir für immer verstummen. Wir werden sterben, todsicher. Wann es sein wird und wie, davon haben wir zumeist keine blasse Ahnung: deshalb die Fülle an Abwehrstrategien – von der routinierten Vermeidung bis zur panischen Angst. Sie alle belegen: Der Tod ist ein Thema wie kein anderes. Wir lassen dennoch, nein deswegen nicht von ihm ab, auch wenn das heißt, sich an der Grenze des Unvorstellbaren zu bewegen, denn jeder Versuch des Erkennens bleibt auf das Leben angewiesen. Der Gegenstand des Erkennens aber ist dessen Ende: Solange wir denken, ist unsere endgültige Abwesenheit für uns undenkbar. Wir glauben bis zum Ende nicht, dass wir uns einmal fehlen werden, und deshalb fehlen uns oft die Worte. Mit unserer Vergangenheit haben wir es da leichter; Kindheit und Jugend sind ein wunderbares Reservoir von literarisch fruchtbaren Erzählanlässen. Die Beiträge in diesem Buch versuchen jedoch, die Blickrichtung umzukehren – zu unserem Ende hin. Damit erinnern sie an die Tradition der Sterbebüchlein, die im späten Mittelalter beginnt und im 18. Jahrhundert endet. Dort wurde die 'Kunst des Sterbens' im Sinne der christlichen Normen gelehrt. Heute gibt es nichts Vergleichbares. Seit langem verfolgt die bürgerliche Gesellschaft das ihr kaum bewusste Ziel, "den Menschen die Möglichkeit zu verschaffen, sich dem Anblick von Sterbenden zu entziehen", so Walter Benjamin in seinem Essay Der Erzähler von 1936; das Sterben sei nach und nach "aus der Merkwelt der Lebenden" herausgedrängt worden. Die Absicht dieses Buches ist es, Sterben und Tod in die Gegenwart der lebenden Leserinnen und Leser zurückzuholen. Dabei gibt es kein Primat eines Textgenres: Der Essay erweist sich mit seinen am Begriff orientierten Mitteln als ebenso produktiv wie die Bildsprache von Prosa und Lyrik und die Unmittelbarkeit eines letzten Briefs an "Meine Lieben" vor dem Suizid. Mit Beiträgen von Lothar Baier, Steffen Brück, Claude Cueni, Hannes Demming, Patrick Eiden-Offe, Martin Jürgens, Hermann Kinder, Christa Ludwig, Petra Moser, Leon Ospald, Guido Rademacher, Maximilian Riethmüller, Jochen Schimmang, Katrin Seglitz, Wolfgang Ullrich, Erdmut Wizisla und Barbara Zoeke.
· 2012
Die Demokratie kann nur überleben, wenn sie sich als Reich verwirklicht - so lautet die provokative These, die Hermann Broch in seinem Roman Der Tod des Vergil propagiert. Als Modell eines solchen Reichs dienen Broch die USA. Erst im Lichte aktueller Debatten um ein American Empire kann die Sprengkraft der brochschen Entwürfe in vollem Umfang ermessen werden. In seinem 1945 erschienenen Roman Der Tod des Vergil und in seinen umfangreichen Versuchen zur politischen Theoriebildung konstruiert Broch eine Parallele zwischen Rom und den USA, um die demokratisch-universalistischen Implikationen der politischen Form des Reichs zu mobilisieren.
· 2015
Georg Lukács' "Geschichte und Klassenbewusstsein" ist ein Werk mit einer geradezu überzeitlichen Wirkung. Als Reaktion auf das Scheitern der deterministisch antizipierten proletarischen Weltrevolution nach dem Ersten Weltkrieg erschien diese Sammlung von Essays und Aufsätzen erstmals 1923. Das Buch war aufgrund seiner scharfen Kritik am 'orthodoxen Marxismus' für die Herausbildung des sogenannten westlichen Marxismus von zentraler Bedeutung, auch wenn Lukács es nach Kritik und Anfeindungen seitens des parteioffiziellen Marxismus widerrief. Eine emanzipatorische Linke rezipierte Lukács immer wieder, besonders wurde er 1968 wieder ins Gedächtnis gerufen. Die von ihm verwendeten Begriffe von Dialektik, Verdinglichung, Entfremdung und Totalität bieten Gelegenheit, die Notwendigkeit der Abschaffung der bestehenden Verhältnisse mit philosophisch geschliffener theoretischer Schärfe zu begründen. Nach dem katastrophischen 20. Jahrhundert stellt dieses Buch die Frage nach der Aktualität von "Geschichte und Klassenbewusstsein". Die Relevanz der genannten Begriffe wird hier betont, statt - wie im postmodernen Diskurs - kleingeredet. Die Beiträge des Bandes bewegen sich zwischen den Spannungspolen von Bewusstsein und Ideologie sowie Historizität und Geschichte. Mit Beiträgen von Àgnes Heller, Detlev Claussen, Rüdiger Dannemann, Frank Engster, Patrick Eiden-Offe, Roger Behrens, Stefan Müller, Johannes Rein, Veith Selk und Bastian Bredtmann, herausgegeben von Hanno Plass.
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Long description: Seit der Erstpublikation von Georg Lukács' Theorie des Romans in der Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft im Jahr 1916 ist mittlerweile ein ganzes Jahrhundert vergangen. Nur wenige Werke waren in dieser Zeit Gegenstand so vieler Kontroversen und heftiger Debatten in der Literaturwissenschaft, aber auch darüber hinaus. Die Theorie des Romans war maßgeblich und stilprägend für das linke Denken, für die Verbindung von existenzieller Erfahrung und Gesellschaftskritik - und zugleich gilt sie als ein so naives wie romantisches Frühwerk. Die Kontroversen um das Werk dauern bis heute an und umso erstaunlicher ist es, dass in der jüngsten Gegenwart dieses Werk wieder eine beunruhigende Seite offenbart, die in diesem Band Anlass zur Diskussion bieten soll.
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· 2020
La primera industrialización no solo vino acompañada de una miseria de masas, con ella también cambió la forma en la que las clases bajas narraban las dificultades de su presente y sus modos de resistencia. Antes de que se pudiese hablar de proletariado y, por tanto, cuando aún no había palabras que nombraran la experiencia común del desamparo, surgieron y circularon infinidad de textos, informes, estudios socio-estadísticos, boletines y novelas, que fueron después despreciados como reaccionarios, anárquicos y románticos. Su delito fue echar mano de un pasado, en parte idealizado, para atacar a un presente de muerte y destrucción. Esta revolucionaria investigación literaria e histórica es un viaje a una época en la que las personas sometidas al nuevo capitalismo pusieron en marcha una poesía de la clase con la que enfrentar la prosa de la situación, así como una rehabilitación tardía del anticapitalismo romántico.
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